Balsamico – Qualität, Hintergründe, Geschichte. Wie erkenne ich guten Balsamico? Und wie kann man viel Geld sparen – und dennoch einen richtig guten „Balsamico“ bekommen?

Die Beliebtheit des Aceto Balsamico hängt nicht nur mit dem fruchtig süßen, leicht karamellartigen und fein säuerlichen Geschmack zusammen, sondern auch mit dem Bild, der Idee, die wir damit verbinden. Ein besonderes Produkt aus dem Land der Weine, dem Land des ursprünglichen Genusses, mit einer jahrhundertealten und heute noch gepflegten Tradition der liebevollen, handwerklichen Verarbeitung.

Balsamico – die Ursprünge

Doch die allerwenigsten von uns haben wirklich schon einmal das Ursprungsprodukt gekostet – den Aceto Balsamico Tradizionale, der tatsächlich nach einem Jahrhunderte alten Verfahren gewonnen wird. Vergleichbar mit dem Reinheitsgebot unserer Biere unterliegt der Aceto Balsamico Tradizionale seinem eigenen Reinheitsgebot: er wird ausschließlich aus eingekochtem Traubenmost hergestellt! Seine einzige moderne Komponente besteht darin, dass seine Erzeuger sich in einem Konsortium zusammengeschlossen haben und die Qualität und Abfüllung ihres Produktes freiwillig von einer unabhängigen Kontrollinstanz prüfen lassen. Es gibt zwei solcher Konsortien, deren Produkte sich durch ihre Herkunft unterscheiden, nicht durch Inhalt oder Herstellung: Aceto Balsamico Tradizionale di Modena und Aceto Balsamico Tradizionale di Reggio Emilia. Abgesehen von dem vollständigen Titel erkennt man beide auch an der bauchigen, charakteristischen 100ml-Flasche und den speziellen Etiketten. 

Für den Balsamico Tradizionale werden weiße Trauben der Region,  hauptsächlich die Sorten Trebbiano und Sauvignon, verwendet. Der gekelterte Traubenmost wird über viele Stunden um etwa ein drittel eingekocht. Dieser Mosto Cotto ist schon in der Antike als „sapa“ bekannt, im alten Rom dient er als Süßspeise oder süßt andere Speisen. Es wird sogar angenommen, dass Mosto Cotto vermischt mit gestoßenem Eis der Vorläufer unseres heutigen Speiseeis ist. 

Über die Jahrhunderte entwickelt sich in der Emilia Romagna das Verfahren, nach dem auch heute der Aceto Balsamico Tradizionale hergestellt wird. Der Mosto Cotto wird mit Essigbakterien oder eine Spur schon fertigem Balsamico angesetzt und über mehrere Jahre zu Essig verwandelt. Danach erst beginnt der ganz spezielle Prozess der Reifung über mindestens 12 Jahre. Auf den Dachböden der Region stehen Reihen von Holzfässern verschiedener Größe und unterschiedlicher Holzarten, die „Batteria“. Jedes der Fässer hat ein Loch oben, durch das der Balsamico etwas verdunstet und oxidiert, und durch das er etwa einmal im Jahr entnommen wird. Der ausgereifte Balsamico wird aus dem kleinsten Fässchen entnommen. Dieses wird vom Zweitkleinsten aufgefüllt, das wiederum vom Drittkleinsten. So durchläuft jeder Tropfen Balsamico die ganzen Fässer, verdichtet sich und reichert seinen Geschmack durch die Aromen der Holzarten an. Die Art der Hölzer spielt für die Geschmacksgebung eine große Rolle: Kastanienholz gibt ein tanninhaltiges Aroma, Kirschholz hebt die fruchtig süße Note hervor, der Maulbeerbaum verdichtet den Geschmack, Wacholder würzt und Eiche, meist das letzte Fass, rundet den Geschmack ab. 

Diese Tradition und die damit verbundene Handwerkskunst wird über Generationen von Essigwinzerfamilien weitergegeben. Im Mittelalter wurde oft bei der Geburt einer Tochter eine neue „Batteria“ angelegt, um den Balsamico der Tochter als Mitgift in die Ehe geben zu können. Er war ausschließlich Königen und edlen Familien vorbehalten, wurde nicht verkauft sondern als Geschenk überreicht. Seinen Namen „Balsamico“ erhielt er, weil ihm im Mittelalter Heilkräfte zugesprochen wurden. Wenige Tropfen gab man von jeher über die Speisen, als einfache Zutat für die Salatsauce war er nie gedacht.

Balsamico Qualitäten – Tradizionale oder nicht

Den Aceto Balsamico Tradizionale di Modena gibt es in zwei Qualitäten: über 12 Jahre und über 25 Jahre alt. Auf den Flaschen befindet sich keine Altersangabe, lediglich die Bezeichnung „extravecchio“ zeigt, dass es sich um einen über 25 Jahre alten Balsamico handelt. Beim Aceto Balsamico Tradizionale di Reggio Emilia gibt es noch eine Zwischenstufe: über 12, über 18 und über 25 Jahre alt. Auch bei ihm befindet sich keine Altersangabe auf der Flasche, sondern das Alter geht aus der Farbe des Siegels hervor: rötlich, silbern und gold. 

Was wir aber normalerweise im Regal, auch dem eines gut sortierten Biosupermarktes finden, ist der Aceto Balsamico di Modena: man muss schon ein Kenner sein, um zu bemerken, dass das Wörtchen „Tradizionale“ fehlt und vor allem was das bedeutet. Denn es scheint doch ein kontrolliertes und herkunftsgeschütztes Produkt mit Siegel zu sein – muss es sich dann nicht um einen genuinen, hochwertigen Essig handeln? Auf den ersten Blick zu unterscheiden von all den weiteren Produkten mit Bezeichnungen wie Balsam oder balsamic ohne jegliche Qualitätsgarantie.

Aber dieser Aceto Balsamico di Modena ist ein Industrieprodukt, nur noch entfernt verwandt mit dem ursprünglichen traditionellen Balsamico. Auf der Zutatenliste finden wir Traubenmost, Weinessig, Traubensirup, Karamellzucker. Der Geschmack kann angenehm sein, gerade im Vergleich zu anderen Essigsorten – die Säure ist mild oder durch den Zuckeranteil abgemildert, auch der karamellartiger Geschmack ergibt einen relativ runden Geschmack. Aber er ist kein Vergleich zu dem reinen Aceto Balsamico Tradizionale. Zudem gibt es enorme Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren des Aceto Balsamico di Modena, so dass es keinerlei Garantie beim Kauf gibt. 

Begonnen hat die Entwicklung dieses Balsamico sicher schon sehr früh damit, dass der edle, aufwendig hergestellte Balsamico mit normalem Weinessig verschnitten wurde oder auch einfacher Weinessig mit ein wenig Balsamico veredelt wurde. Wer würde es den Essigwinzern verdenken, wenn sie so viel mehr Menschen Anteil nehmen lassen wollten an dem erlesenen Geschmack? Historisch belegt ein Text aus dem Jahre 1839 das Nebeneinander von reinem, traditionellem Balsamico und der Mischung: er definiert Balsam-Essig, der nur aus Most hergestellt wird, als eccelso („außerordentlich“), und solchen aus vergorenem Most und Wein als pur eccelente („auch vortrefflich“).

Nachfrage hoch – Qualität runter

Anfang des 20. Jahrhundert beeinflusste dann aber die steigende Nachfrage nach dem leckeren Essig und die sich ausbreitende Industrialisierung die Herstellung des Balsamico. Für die Industrieproduktion braucht die traditionelle Methode und Reifung zu lange, angefangen von dem langsamen Einkochen des Mostes, über die natürliche Fermentation und jahrelange Reifung. All dies lässt sich mit industriellen Tricks und Zusätzen nachahmen. Zusätze von Essig und Zucker, künstlicher Entzug von Säure und Farbzusatz machen es möglich. So erhält man ein preisgünstiges Produkt, das geschmacklich dem Original entfernt ähnelt, und auf dem großen Markt profitabel angeboten werden kann. Aufwerten lässt sich dieses Erzeugnis immer noch durch nachträgliche, längere Reifung in Holzfässern. 

In den sechziger Jahren scheint der so hergestellte Balsamico in der ganzen Welt begehrt zu sein und wird damit zum wirtschaftlichen Faktor. So kommen Essigwinzer auf die Idee, sich zusammenzuschließen zu einem Verband und ihren „Aceto Balsamico di Modena“ als Markennamen mit geschützter Herkunft und Qualitätsstandards eintragen zu lassen (alle Einzelzeiten dazu siehe: www.consorziobalsamico.it, auch in deutscher Version). Der Standard schreibt Produktion und Abfüllung im Ursprungsgebiet vor, Herstellung aus Traubenmost, Traubensirup, Essig und einer Spur mindestens 10 Jahre altem Essig, und erlaubt Zusätze von Karamell und Zucker. Der Essig wird bis zu 3 Jahren (weinrotes Garantiesiegel) oder über 3 Jahre (weißes Garantiesiegel) in Holzfässern gelagert.  Sehr schön lässt sich die bürokratische Definition im Amtsblatt der Europäischen Union L175 vom 4.7.2009 nachlesen. Inzwischen ist der Begriff „Aceto Balsamico di Modena“ als Gesamtbegriff europaweit geschützt.  

Erst zwanzig Jahre später schließen sich die Hersteller des traditionellen Aceto Balsamico wiederum zu zwei Verbänden zusammen, um das ungleich hochwertigere Produkt namentlich schützen zu lassen, und die Herstellung nach der Tradition zu gewährleisten (s. www.balsamico.it – für den Aceto Balsamico Tradizionale di Modena (italienisch und englisch) oder www.acetobalsamicotradizionale.it für den Aceto Balsamico Tradizionale di Reggio Emilia, (auch auf deutsch) 

Der Marktanteil des Aceto Balsamico di Modena macht etwa 98% aus, der Aceto Tradizionale mit jährlich nur etwa 100.00 Fläschchen à 100 ml kommt auf 2 % Marktanteil. Aus 100 kg Trauben gewinnt man 50 kg Most, von dem nach dem Einkochen noch 30 bis 35 kg übrig sind. Nach 12 bis 25 Jahren hält der Essigwinzer gerade mal 1 bis 1,5kg Aceto Tradizionale in seinen Händen, was etwa 6 bis 11 Fläschchen a 100ml entspricht. Demgemäß ist der Preis.

Balsamico „selber machen“. Gute Qualität – und dabei viel Geld sparen.

Das was bei uns in Supermärkten, Feinkostläden und auch in guten online shops als „Aceto Balsamico di Modena“ – oftmals für teures Geld – angeboten wird können Sie sich ohne Probleme viel billiger selbst herstellen. Sei benötigen dafür einen wirklich guten (Bio) Weinessig. Und (Bio) Mosto Cotto, sprich Traubensirup/Traubenmost (aus oft unter dem Namen „Saba“ oder „Sapa“ angeboten). Den bekommen Sie einfach im Internet. Beides ist in hoher Qualität deutlich billiger als viele Balsamicos. Und dann einfach mischen. Ein guter Start ist eine Mischung aus 80% Weinessig und 20% Mosto Cotto. Und dann je nach gewünschter Süße und Geschmack einfach mehr Weinessig oder Mosto Cotto zugeben. Wer das jetzt nicht glauben will: schauen Sie einmal beim nächsten Einkauf auf die Zutatenliste der angebotenen Balsamicos.